Vor kurzem wurde ein Gerichtsurteil gegen ehemalige Blackwater Mitarbeiter verkündet, nachdem diese ein blutiges Massaker auf dem Nissur-Platz in der irakischen Hauptstadt Bagdad verübt hatten. Wer sich mit der Geschichte einer der mächtigsten Söldnerarmeen der Welt noch tiefer auseinander setzen möchte, dem kann ich das Buch Blackwater: Der Aufstieg der mächtigsten Privatarmee der Welt empfehlen.
Angaben zu dem Gerichtsprozess finden sich unter anderem bei Die Welt und FOCUS Online.
Das Massaker am Nissur Platz
Das Massaker am Nissur Platz wird auch im Prolog des Buches dargestellt und wendet sich dann der Rolle von Blackwater im Irak zu, bevor es im weiteren Verlauf zu einer chronologischen Erzählung der Unternehmens-, eng verbunden mit der Zeitgeschichte übergeht.
Ob man mit dem Ende des Prozesses von einer Aufarbeitung der Geschichte sprechen kann, so wie es Clemens Wergin beschreibt, wage ich jedoch zu bezweifeln:
Für die US-Regierung stellt dieses Urteil eine späte Genugtuung dar. Jahrelang hatte sie die irakische Regierung um Geduld und um Vertrauen in das amerikanische Justizsystem gebeten. Nun wurde deutlich, dass Amerika durchaus in der Lage ist, eigene Fehler aufzuarbeiten und US-Bürger, die in undurchsichtigen Kriegssituationen auf furchtbare Weise die Nerven verloren, zur Rechenschaft zu ziehen.
Direkt nach dem Vorfall war davon reichlich wenig zu sehen, wie Jeremy Scahill in seinem Buch schreibt:
So waren die Reaktionen des Außenministeriums nach der Schießerei auf dem Nisour-Platz denn auch, gelinde gesagt, problematisch. Der erste Bericht des Außenministeriums über den Zwischenfall wurde von einem Blackwater-Mitarbeiter auf dem offiziellen Briefpapier der US-Regierung geschrieben. Das FBI wurde erst zwei Wochen später mit der Untersuchung beauftragt. Somit lagen die Ermittlungen anfangs in den Händen einer Behörde, die keine Strafverfolgungskompetenz besaß, nämlich des Außenministeriums, das zufällig zugleich Blackwaters Auftraggeber war. Ende Oktober wurde bekannt, dass das Ministerium den Blackwater-Söldnern sogar eine partielle Immunität zugesagt hatte in dem Sinn, dass keine ihrer Aussagen gegenüber Ermittlungsbehörden gegen sie verwendet werden dürfe. Das Außenministerium bot zudem an, bei der Zahlung von Schweigegeldern an die Opfer der Schießerei behilflich zu sein, wie es bereits in zahlreichen anderen Fällen geschehen war, in denen Blackwater und andere Firmen Iraker getötet hatten.
Welche Rolle spielte Blackwater im Irak?
In einer Leseprobe des Rowohlt Verlages heißt es unter anderem:
“Schließlich war Blackwater nicht irgendeine Sicherheitsfirma im Irak, sondern das führende Söldnerunternehmen im Dienste der US-Besatzung. Blackwater übernahm diese Rolle im Sommer 2003, nachdem es ohne Ausschreibung einen 27 Millionen Dollar teuren Vertrag über den Schutz von Botschafter Paul Bremer erhalten hatte, dem Chef der provisorischen Übergangsverwaltung der Koalition. Seither war Blackwater für das Leben und die Sicherheit aller nachfolgenden US-Gesandten im Irak zuständig, von John Negroponte bis Ryan Crocker. Die Sicherheitsfirma schützte Außenministerin Condoleezza Rice, wenn sie das Land besuchte, sowie Delegationen von US-Abgeordneten. Nach jenem ersten Vertrag für den Irak erhielt Blackwater allein vom Außenministerium Aufträge zum «Schutz von Diplomaten» im Wert von mehr als 700 Millionen Dollar.” Im oben erwähnten ZEIT Artikel ist sogar von mehr als einer Milliarde Dollar Auftragsvolumen die Rede.
https://www.youtube.com/watch?v=LSAD1m_cvlw
2008 von der ARD ausgestrahlte Doku: “Die Schattenarmee der USA im Irak” Doku. Ab Minute 28 geht es um Blackwater im Irak.
Der Aufstieg von Blackwater ist eng mit einer veränderten Doktrin des amerikanischen Verteidigungsministeriums, nach den Anschlägen vom 11. September verbunden. Jeremy Scahill schreibt dazu:
Die neue Politik des Pentagon würde verstärkt auf den Privatsektor, verdeckte Operationen, die neuesten Waffensysteme sowie den vermehrten Einsatz von Sondereinheiten und privaten Dienstleistern setzen. Diese Politik wurde als Rumsfeld-Doktrin bekannt. «Wir müssen die unternehmerische Herangehensweise stärker fördern, die die Menschen ermutigt, zu agieren statt zu reagieren und weniger wie Bürokraten zu handeln, sondern mehr wie risikofreudige Investoren », schrieb Rumsfeld im Sommer 2002 in einem Artikel für Foreign Affairs, der den Titel «Transforming the Military » trug. Die von Rumsfeld propagierte Strategie des «kleinen Fußabdrucks », bei dem man möglichst geringe Spuren hinterlässt, war der Beginn einer der grundlegendsten Veränderungen der modernen Kriegsführung – dem Einsatz von Privatunternehmen in allen Bereichen des Kriegs, bis hin zu Kampfhandlungen.
- Autor: Jeremy Scahill
- Verlag: Verlag Antje Kunstmann, München
- Preis: € 22,-
- Umfang: 320 Seiten
- ISBN: 978-3-88897-512-7
Über den Autor: Jeremy Scahill
Jeremy Scahill arbeitet für Zeitschriften wie “The Nation” und ist Korrespondent der Radio- und Fernsehshow “Democracy Now!”. Als Reporter hat er aus dem Jugoslawienkrieg, aus Nigeria und dem Irak berichtet. Er lebt in Brooklyn, New York. Sein Buch wurde in den USA und in Deutschland zum Bestseller.
Über nachfolgenden Link kann das Buch in der Kindle Version bei Amazon gekauft werden: Blackwater: Der Aufstieg der mächtigsten Privatarmee der Welt. Da ich viel unterwegs bin und möglichst wenig Gewicht dabei haben möchte, gehe ich zunehmend zum Lesen von eBooks über.
Rezension zum Buch
Arno Orzessek rezensiert auf Deutschlandradio Kultur:
Die Original-Ausgabe von “Blackwater” stand wochenlang auf der Bestsellerliste der “New York Times”, wurde aber weder von dieser Zeitung noch sonstigen wichtigen Blättern des Landes rezensiert. Vieles spricht dafür, dass Scahills Buch ins Mark der amerikanischen Führungsschichten trifft. Es verrät nichts grundsätzlich Unbekanntes, aber es setzt den politischen und moralischen Kollaps der US-Regierung unter George Bush konzentriert und konkret ins Bild und führt viele widerwärtige Seiten der amerikanischen Kriegsführung vor.
Offenbar ist die Militärmaschinerie der Vereinigten Staaten von Privatfirmen abhängig geworden, die über dem Gesetz stehen und von einer Lobby gelenkt werden, die Freiheit und Sicherheit sagt, wenn sie Selbstbereicherung meint. Im Sinne der mächtigen Söldner-Branche wäre, so vermittelt die Lektüre, jeder weitere Krieg äußerst wünschenswert – eine grauenvolle Aussicht für alle, die künftig zu Kollateralschäden dieser Praxis werden.
Scahill legt in seiner Beschreibung den Schwerpunkt auf die amerikanische Seite. Er beschreibt vor allem die Veränderungen und Hintergründe in der amerikanischen Außen- und Verteidigungspolitik, die zum Aufstieg von Blackwater, aber auch anderer Söldnerfirmen führten. Es darf nicht unerwähnt bleiben, dass Blackwater nur eine von vielen solcher Firmen war. Neben den Aufträgen im Irak verdiente sie viele Jahre zuvor vor allem ihr Geld mit Schulung und Training amerikanischer Polizei- und Spezialeinheiten. Wurde zu diesem Zweck auch weltweit zum Training von Einheiten befreundeter Staaten eingesetzt.
Geht es im Buch um Kampfhandlungen und Tote wird lediglich die Seite Gefallener von Blackwater und deren Angehöriger beleuchtet. Angaben zu oder die Sicht der Iraker gibt es hier nicht. Somit könnte man Scahill durchaus Unausgewogenheit und wenig Einfühlungsvermögen für beide Seiten vorwerfen.
Nichtsdestotrotz eröffnet das Buch einen spannenden und leicht zu lesenden Blick in eine Schattenwelt internationaler Politik.